Das Universale Haus der Gerechtigkeit | Botschaft vom 21.4.1996 - An die Bahá’í in Europa
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Das Universale Haus der Gerechtigkeit
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Riḍván 1996
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An die Anhänger Bahá’u’llahs in Europa
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Innig geliebte Freunde,
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vor 43 Jahren, als sich die europäischen Bahá’í auf der Stockholm-Konferenz versammelten, die der geliebte Hüter zum Auftakt des großen Zehnjahres-Kreuzzuges auf Ihrem Kontinent einberufen hatte, gab es drei Nationale Geistige Räte - den der Britischen Inseln, den von Deutschland und Österreich sowie den von Italien und der Schweiz - außerdem einige sich langsam entwickelnde örtliche Gemeinden in anderen Ländern Westeuropas. Im Osten, der durch politische Barrieren abgeschottet war, existierten winzige Überreste von Gemeinden, die in früheren Jahren errichtet worden waren, und in der benachbarten Türkei mühte sich eine kleine nationale Gemeinde. Und als die europäischen Gläubigen der damaligen Zeit die ehrfurchtgebietenden Aufgaben betrachteten, die vor ihnen lagen, hörten sie die Worte des Hüters, der die historische Bedeutung jenes Kontinents erläuterte, in dem sie die Institutionen von Bahá’u’lláhs embryonaler Weltordnung aufbauen sollten:
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„Ein Kontinent, der solch eine zentrale und strategische Position für den ganzen Planeten einnimmt, so reichhaltig und ereignisreich in seiner Geschichte, so vielfältig in seinen Kulturen, aus dessen Boden die Hellenische als auch die Römische Kultur entsprang, die treibende Kraft einer Kultur, der Bahá’u’lláh Selbst in einigen ihrer Grundzüge Anerkennung gezollt hat, an dessen südlichen Küsten das Christentum erstmals eine Heimat fand, auf dessen östlichen Wegen die mächtigen Kräfte des Kreuzes und des Halbmondes so oft aufeinander stießen, auf dessen südwestlichem Ausläufer die schönsten Früchte einer sich schnell entwickelnden islamischen Kultur reiften, in dessen Herzen das Licht der Reformation so hell schien, daß deren Strahlen auch die entlegensten Regionen des Globus erreichten ...“
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Dieser Ihr Kontinent, dessen Boden durch die Fußspuren Bahá’u’lláhs gesegnet wurde, der zweimal von ‘Abdu’l-Bahá auf Seinen epochalen Reisen nach der Befreiung aus der Gefangenschaft besucht wurde, dessen Reisende und Gelehrte sich schon früh dem heraufdämmernden Licht von Bahá’u’lláhs Offenbarung öffneten, von dem aus zwei Regierungen während des heroischen Zeitalters dem Glauben eine helfende Hand darboten und dessen Nationen in jüngsten Jahren so erfolgreich zur Verteidigung der verfolgten Bahá’í im Iran interveniert haben, hat reichlich die Fähigkeit seiner Bewohner demonstriert, sich unter dem Banner der Sache Gottes zu versammeln, sobald ihre Herzen berührt werden und ihr Verstand für seine Botschaft geweckt wird.
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Im Laufe dieser 43 Jahre haben die europäischen Bahá’í-Gemeinden große Vitalität gezeigt. Die Zahl der Nationalen Geistigen Räte hat sich auf 34 erhöht, die auf dem ganzen Kontinent verteilt sind, und die - wie im Falle von Rußland - riesige Gebiete umfassen und bis an den Pazifischen Ozean reichen. Durch europäische Pioniere wurden für den Glauben in Afrika, im Pazifik, der Karibik und auf Grönland große Siege errungen. Ihre Institutionen haben sich im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit hervorgetan. Ihre Gemeinden weisen hervorragende Gelehrte im Glauben, Musiker, Künstler, Wissenschaftler und Freunde auf, die sich um die Anwendung der Bahá’í-Lehren im Geschäfts- und Wirtschaftsbereich bemühen. Sie haben besondere Anstrengungen unternommen, die Frauen zu fördern und das Familienleben zu stärken. Der Europäische Jugendrat ist Mittelpunkt und Quelle für die Stimulation der Jugend in allen Teilen Europas geworden, und wird ergänzt durch ein Netz von nationalen und örtlichen Jugendausschüssen, die eng zusammenarbeiten und von ihren Nationalen und örtlichen Geistigen Räten unterstützt werden. Jetzt ist es an der Zeit, daß wir auf diese Errungenschaften aufbauen, indem wir alle unsere Anstrengungen auf das wesentliche Ziel konzentrieren, die Botschaft Bahá’u’lláhs einer geistig ausgehungerten Bevölkerung zu überbringen.
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Die erste Aufgabe Ihrer Nationalen Geistigen Räte sofort nach Riḍván wird es sein, Land für Land und in Beratung mit den Mitgliedern des Berateramts die Details des Vier- Jahres-Planes zu formulieren. Die Beteiligung der örtlichen Geistigen Räte und einzelner Gläubiger im Ausarbeiten ihrer eigenen örtlichen Pläne und in der Ausrichtung auf klar zu formulierende Handlungsvorgaben wird für die erfolgreiche Erfüllung der hohen Ziele in diesem Stadium der Umsetzung des Göttlichen Planes von ‘Abdu’l-Bahá unverzichtbar sein.
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Europa ist ein Kontinent voller Vielfalt, und jeder Ihrer Nationalen Räte wird sorgfältig die erforderlichen Prozesse und Leistungen erforschen müssen, die für die Entwicklung der Sache Gottes in ihrem Gebiet in den kommenden vier Jahren notwendig sind. Die augenblickliche Situation seiner Gemeinde, das Gebiet, in dem er arbeitet und Bereiche potentieller Zusammenarbeit mit anderen Bahá’í-Gemeinden müssen berücksichtigt werden. Besondere Aufmerksamkeit sollte der offiziellen Anerkennung in den Ländern, in denen die Institutionen des Glaubens noch nicht rechtlich anerkannt sind, gewidmet werden, außerdem der Errichtung von Nationalen Geistigen Räten in bestimmten unabhängigen Gebieten und auf wichtigen Inseln - wie beispielsweise den Faröer Inseln -, die dies noch nicht erreicht haben. Es gibt jedoch bestimmte Elemente einer noch weiter reichenden Vision, die berücksichtigt werden müssen, da sie auf einzelne Länder, auf Ländergruppen und ganze Kontinente zutreffen.
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Es gibt Gebiete, die dringend Pioniere und Reiselehrer benötigen; man denke beispielsweise an die Arbeit mit den Sami und anderen Völkern der Arktis und sub-arktischen Regionen, nördlich bis nach Spitzbergen hinaufreichend. Wir denken an die Bedeutung des Lehrens des Glaubens auf den Mittelmeerinseln, den Atlantikinseln und den Nordseeinseln; die Wichtigkeit der Roma für den ganzen Kontinent, die eine große Aufnahmebereitschaft für die Botschaft Bahá’u’lláhs zeigen; die Chance für die europäischen Bahá’í-Gemeinden, das heilsame Wesen der Lehren in Bezug auf Minderheiten aller Art zu demonstrieren; die besonderen Aufgaben, die der geliebte Hüter als Bestimmung ausgewählter Gemeinden beschrieben hat, und ihre Verantwortung in fernen Ländern, in denen ihre Sprachen gesprochen werden; die Konsequenzen des Fortschritts des Glaubens in Italien, wo sich „das Herz und die Hochburg der leitenden, der altehrwürdigsten und mächtigsten Kirche des Christentums“ befindet; die Notwendigkeit, die Zahl von Bahá’í-Zentren in den riesigen Gebieten der Ukraine und des europäischen Teils von Rußland zu erhöhen; und darüber hinaus die besondere Verantwortung und Herausforderung der Bahá’í-Gemeinde der Russischen Föderation, deren größter Teil in Asien liegt, und die sowohl von der Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden in Zentral-, Süd- und Ost-Asien profitieren muß als auch von der mit Alaska, Kanada und den Vereinigten Staaten. Das sind nur einige Beispiele für die Herausforderungen, denen Sie in den kommenden Jahren gegenüberstehen.
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Das zentrale Ziel des Vier-Jahres-Planes, ein bedeutender Fortschritt im Prozeß des Beitritts in Scharen, ist für Europa von besonderer Bedeutung. Sie sollten keine Befangenheit und Vorbehalte haben - es ist ein Prozeß, der in allen Teilen Europas voranschreiten kann, im Westen und im Osten. Sie sollten alle erkennen, daß der Beitritt in Scharen eine unumgängliche Entwicklungsstufe für die Sache ist. Die Merkmale dieser Entwicklung sind in der Zusammenstellung zu diesem Thema beschrieben worden. Daraus wird offensichtlich, daß das beabsichtigte Ergebnis - ein anhaltender Beitritt in Scharen - durch eine bloße Abfolge von sporadischen, unkoordinierten Anstrengungen - wie enthusiastisch auch immer - nicht zustandekommen kann. Vertrauen; Einheit in der Vision; systematische, realistische und dennoch kühne Planung; Akzeptanz der Tatsache, daß man Fehler machen wird, und der Wille, aus diesen Fehlern zu lernen; und - über allem - Vertrauen auf die Führung und stützenden Bestätigungen Bahá’u’lláhs werden den Fortschritt dieses Prozesses beschleunigen.
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Die Einrichtung von Fortbildungs-Instituten in verschiedenen Orten wird im Vier- Jahres-Plan betont, denn die derzeitigen Methoden - so wertvoll sie in sich auch sein mögen - sind nicht angemessen, um den Herausforderungen dieses neuen Wachstumsstadiums der Sache zu begegnen. Die Gestalt und Struktur der Institute müssen den jeweiligen Bedingungen des Landes und der Region angepaßt werden. Es ist klar, daß die Form eines Instituts in Europa nicht mit der eines in den ländlichen Gebieten Indiens identisch sein kann. Ihre Hauptfunktion jedoch ist dieselbe. Sie sind dazu da, die Festigung einer Bahá’í-Identität der Teilnehmer zu fördern: die Befähigung, die Welt und ihren Zustand eher aus dem Blickwinkel der Lehren zu sehen als aus Sicht der eigenen Nationalität oder vor dem jeweiligen Nicht-Bahá’í-Hintergrund. Sie werden dabei helfen, in jedem Teilnehmer eine tiefe Liebe zu Bahá’u’lláh zu entwickeln, ein gutes Verständnis Seiner wesentlichen Lehren und das Bewußtsein für die Wichtigkeit der Entwicklung des geistigen Lebens für jedes Individuum durch Gebet, Meditation und Versenkung in die Heiligen Schriften fördern. Sie werden auch solch praktische Dinge enthalten wie das Lehren des Glaubens, denn es gibt zu viele, die aus Mangel an Vertrauen in ihre diesbezüglichen Fähigkeiten zögern, die Botschaft weiterzugeben. Die Wandlung, die eine solche Vertiefung im Glauben hervorruft, wird sicherlich die Herzen der einzelnen Freunde dafür entflammen, die Botschaft mit allen sie umgebenden Menschen zu teilen, und dies ist die Saat für den Erfolg beim Lehren. Jene, die an einem Institut teilgenommen haben, können den anderen Bahá’í - sowohl den neuen als auch den langjährigen - helfen, ihr Potential für das Lehren zu entwickeln, und somit der Sache, in der jeder Gläubige ein Lehrer ist, eine zunehmende Zahl aktiver Mitarbeiter zuführen.
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Das Lehren der Sache durch die Freunde in Europa muß an Umfang zunehmen, es muß in der Bandbreite vielfältig, spontan und individuell auf der einen Seite und konzentriert, vereint und einander unterstützend auf der anderen Seite sein. Es muß sowohl inspirierend als auch praktisch sein und muß vor allem vom reinen Glauben an die Macht Bahá’u’lláhs beseelt sein. Sie sollten das Feld ihrer Lehrarbeit erweitern und darin die Landbevölkerung einschließen als auch die Massen der Arbeitenden in den Städten, Menschen mit geringer Bildung als auch Intellektuelle in Universitätsstädten. Sie sollten ganz bewußt jede Gesellschaftsschicht ansprechen, Ihre Methoden entsprechend anpassen, Literatur und audio-visuelles Material für jeden Zuhörer haben. Beides, Kopf und Herz, müssen genährt werden; beides, geistige Kräfte und intellektuelle Klarheit, müssen als wichtige Elemente der Lehrarbeit erkannt werden. Sie haben sich bereits ausgezeichnet durch den Einsatz der Künste in der Proklamation, der Ausbreitung und Festigung des Glaubens; dies ist ein Schlüssel zum Öffnen vieler Türen, und er sollte ermutigt und gefördert werden. Ihre Einheit, Ihre Begeisterung, Ihr Vertrauen und Ihre Ausdauer - durch die Kraft des Gebetes gestärkt und geführt - werden unausweichlich zu einem Kanal für göttliche Bestätigungen, die wiederum suchende Seelen anziehen werden. Wir unsererseits werden inbrünstig an der Heiligen Schwelle dafür beten, daß Sie, die Sie solch historische Siege in Ihren Heimatländern und auf der ganzen Welt errungen haben, während des Vier-Jahres-Planes in eine Phase noch größerer Errungenschaften eintreten, die die noch unvorstellbaren Triumphe ankündigen, die sich der Bestimmung nach im einundzwanzigsten Jahrhundert entfalten werden.
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[gezeichnet: Das Universale Haus der Gerechtigkeit]
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