Das Universale Haus der Gerechtigkeit | Botschaft vom 27. Mai 1966 - Hütertum und Universales Haus der Gerechtigkeit
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Das Universale Haus der Gerechtigkeit
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27. Mai 1966
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(Auszüge aus einem Brief, den das Universale Haus der Gerechtigkeit als Antwort auf die Fragen eines einzelnen Gläubigen über die Beziehung zwischen dem Hütertum und dem Universalen Haus der Gerechtigkeit geschrieben hat)
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(Auszüge aus einem Brief, den das Universale Haus der Gerechtigkeit als Antwort auf die Fragen eines einzelnen Gläubigen über die Beziehung zwischen dem Hütertum und dem Universalen Haus der Gerechtigkeit geschrieben hat)
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... Sie äußern Zweifel über den Zeitpunkt der Wahl des Universalen Hauses der Gerechtigkeit im Hinblick auf die Äußerung des Hüters: »... wenn günstige Umstände gegeben sind, unter denen die Bahá’í Persiens und der angrenzenden Länder unter sowjetischer Herrschaft in der Lage sein werden, ihre nationalen Vertreter zu wählen, ... wird das einzig noch bestehende Hindernis auf dem Weg einer endgültigen Bildung des Internationalen Hauses der Gerechtigkeit beseitigt sein.« Am 19. April 1947 ließ der Hüter eine Anfrage eines Gläubigen zu dieser Stelle durch seinen Sekretär wie folgt beantworten: »Zu der Zeit, als er von Rußland sprach, gab es dort Bahá’í; aber nun hat die Gemeinde praktisch aufgehört zu bestehen.
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Deshalb kann die Bildung des Internationalen Hauses der Gerechtigkeit nicht von einem russischen Nationalen Geistigen Rat abhängen, sondern andere starke Nationale Geistige Räte müssen gebildet werden, bevor es errichtet werden kann.«
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Sie deuten die Möglichkeit an, daß um der Sache willen gewisse Informationen, die die Nachfolge Shoghi Effendis betreffen, den Gläubigen vorenthalten werden. Wir versichern Ihnen, daß nichts - gar nichts den Freunden aus irgendeinem Grunde vorenthalten wird. Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, daß Shoghi Effendi nach dem Willen und Testament
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`Abdu’l-Bahás selbst mit der Autorität ausgestattet war, seinen Nachfolger zu ernennen; aber er hatte keine Kinder, und alle überlebenden Agh.sán hatten das Bündnis gebrochen. Damit ist es, wie die Hände der Sache im Jahre 1957 feststellten, klar, daß es niemanden gab, den er im Einklang mit den Bestimmungen des Letzten Willens hätte ernennen können. Eine Ernennung außerhalb der klaren und ausdrücklichen Bestimmungen vom Willen und Testament des Meisters vorzunehmen, wäre augenscheinlich für den Hüter, den göttlich ernannten Bannerträger und Verteidiger des Bündnisses, eine unmögliche und undenkbare Handlungsweise gewesen. Überdies hat, wie Sie ja wissen, eben dieser Letzte Wille ein klares Verfahren zur Bestätigung der durch den Hüter ausgesprochenen Ernennung seines Nachfolgers vorgesehen. Die neun Hände, die von der Körperschaft der Hände zu wählen waren, mußten ihre Zustimmung zu der Wahl des Hüters in geheimer Abstimmung geben. Im Jahre 1957 verkündete die ganze Körperschaft der Hände, nachdem sie die Angelegenheit eingehend untersucht hatte, daß Shoghi Effendi weder einen Nachfolger ernannt noch einen Letzten Willen hinterlassen hatte. Dies ist dokumentarisch niedergelegt und festgehalten.
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Die Tatsache, daß Shoghi Effendi keinen Letzten Willen hinterließ, kann nicht als Beweis eines Ungehorsams gegenüber Bahá’u’lláh gedeutet werden - wir sollten vielmehr anerkennen, daß gerade in diesem seinem Schweigen eine Weisheit liegt und ein Zeichen seiner unfehlbaren Führung. Wir sollten tief über die Schriften, die wir haben, nachdenken und die vielfältigen Bedeutungen, die sie enthalten, zu verstehen suchen. Vergessen Sie die Aussage Shoghi Effendis nicht, daß zwei Dinge für ein besseres Verständnis der Weltordnung Bahá’u’lláhs nötig wären: das Verstreichen der Zeit und die Führung des Universalen Hauses der Gerechtigkeit.
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Die Unfehlbarkeit des Universalen Hauses der Gerechtigkeit in seinem Bereich:
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Die Unfehlbarkeit des Universalen Hauses der Gerechtigkeit, die innerhalb des ihm zugeordneten Bereiches gilt, ist nicht davon abhängig gemacht, daß der Hüter der Sache zu seinen Mitgliedern zählt. Während auf dem Gebiet der Auslegung die Äußerungen des Hüters immer bindend sind, ist es bei einer Teilnahme des Hüters an der Gesetzgebung stets die Entscheidung des Hauses selbst, die den Ausschlag geben muß. Dies wird durch die Worte des Hüters erhärtet: »Die Auslegung durch den Hüter ist innerhalb seines Bereiches ebenso autoritativ und bindend wie die Erlasse des Internationalen Hauses der Gerechtigkeit, dessen ausschließliches Recht und Vorrecht es ist, über solche Gesetze und Verordnungen zu befinden und letztgültig zu entscheiden, die Bahá’u’lláh nicht ausdrücklich offenbart hat.
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Keine von beiden Institutionen kann und wird je in das geweihte und festgelegte Gebiet der anderen übergreifen, keine von ihnen versuchen, die besondere und unbestrittene Amtsgewalt zu schmälern, mit der beide von Gott her ausgestattet wurden.
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Obwohl der Hüter des Glaubens zum ständigen Haupt einer so erhabenen Körperschaft gemacht worden ist, kann er doch nie, und wäre es nur vorübergehend, das Recht ausschließlicher Gesetzgebung beanspruchen. Er kann die Entscheidung der Mehrheit seiner Mitglieder nicht umstoßen, ist jedoch verpflichtet, bei jeder Gesetzesvorlage auf einer nochmaligen Behandlung durch sie zu bestehen, wenn sie nach seinem Gewissen dem Sinn der offenbarten Äußerungen Bahá’u’lláhs widerspricht und von deren Geiste abweicht.«
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Aber einmal ganz abgesehen von seiner Aufgabe als Mitglied und geheiligtes Oberhaupt des Universalen Hauses der Gerechtigkeit auf Lebenszeit, hatte der Hüter aus seinem ureigensten Wirkungskreis heraus das Recht und die Pflicht, »den Bereich der gesetzgeberischen Tätigkeit« des Universalen Hauses der Gerechtigkeit »zu bestimmen«. Mit anderen Worten, er hatte die Autorität festzustellen, ob eine Angelegenheit schon in den Heiligen Schriften behandelt war oder nicht und ob es deshalb in der Befugnis des Universalen Hauses der Gerechtigkeit stand, über sie gesetzlich zu befinden. Keine andere Person außer dem Hüter besitzt das Recht und die Autorität, solche Erklärungen abzugeben. Daher erhebt sich die Frage: Ist in Abwesenheit des Hüters das Universale Haus der Gerechtigkeit in Gefahr, seinen eigenen Wirkungskreis zu überschreiten und somit in Irrtum zu verfallen? Hierzu müssen wir drei Dinge berücksichtigen: Erstens hat Shoghi Effendi während der sechsunddreißig Jahre seines Hütertums bereits mit zahllosen Erklärungen die durch `Abdu’l-Bahá und Bahá’u’lláh selbst gegebenen ergänzt. Wie den Freunden schon mitgeteilt wurde, unternimmt das Universale Haus der Gerechtigkeit vor jedem Akt der Gesetzgebung ein sorgfältiges Studium der Schriften und Auslegungen zum jeweiligen Thema. Zweitens hat das Universale Haus der Gerechtigkeit, selbst der göttlichen Führung versichert, die Abwesenheit des Hüters sehr wohl vor Augen und wird sich mit allen Fragen der Gesetzgebung nur dann befassen, wenn der Geltungsbereich seiner Rechtshoheit sicher ist, ein Bereich, den der Hüter überzeugend als
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»klar umgrenzt« bezeichnet hat. Drittens dürfen wir nicht die schriftliche Aussage des Hüters über diese zwei Institutionen vergessen: »Keine von beiden kann und wird je in den unantastbaren und festgelegten Bereich der anderen übergreifen.«
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Vom Universalen Haus der Gerechtigkeit erlassene Gesetze sind erleuchtet und geistig:
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Über die Notwendigkeit, aus den Schriften Schlußfolgerungen abzuleiten als Hilfestellung beim Abfassen der Gesetzesbestimmungen des Hauses der Gerechtigkeit, haben wir den folgenden Text aus der Feder `Abdu’l-Bahás:
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»Alles Wesentliche, das die Grundlage des göttlichen Gesetzes ausmacht, ist eindeutig im heiligen Text festgelegt, aber ergänzende Gesetze bleiben dem Haus der Gerechtigkeit
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überlassen. Die Weisheit dieser Anordnung liegt im Wandel der Zeiten; denn Veränderung ist eine notwendige Eigenschaft und ein wesentliches Merkmal dieser Welt von Zeit und Raum. Dementsprechend wird das Haus der Gerechtigkeit handeln.
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Man darf sich nicht vorstellen, daß das Haus der Gerechtigkeit irgendeine Entscheidung nach seiner eigenen Auffassung und Meinung trifft. Gott bewahre! Das höchste Haus der Gerechtigkeit wird durch die Erleuchtung und Bestätigung des Heiligen Geistes seine Entscheidungen treffen und Gesetze erlassen, denn es steht in der sicheren Obhut und unter dem Schutz und Schirm der Ewigen Schönheit, und Gehorsam gegenüber seinen Beschlüssen ist eine wesentliche Pflicht und Schuldigkeit und eine bindende Verpflichtung, aus der es für niemand eine Ausflucht gibt.
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Sprich, o Volk: Wahrlich, das Höchste Haus der Gerechtigkeit steht unter den Schwingen eures Herrn, des Mitleidvollen, des Allbarmherzigen, das heißt, unter Seinem Schutz, Seiner Fürsorge und Seinem Obdach; denn Er hat den standhaften Gläubigen befohlen, dieser gesegneten, geheiligten und alles meisternden Körperschaft zu gehorchen, deren göttlich verordnete Herrschaft dem Himmlischen Königreich entstammt und deren Gesetze erleuchtet und geistig sind.
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Darin liegt, kurz gesagt, die Weisheit, die Gesetze der Gesellschaft dem Haus der Gerechtigkeit zu übertragen. Auch im Islám war nicht jedes Gesetz ausdrücklich offenbart; nein, nicht der zehnte Teil eines Zehntels fand sich im Text; obwohl alles Wesentliche genau festgelegt war, gab es zweifellos Tausende von Gesetzen, deren Einzelheiten offen blieben. Diese wurden von den Theologen späterer Generationen nach den Grundsätzen der islámischen Rechtsprechung ausgearbeitet, und einzelne Theologen leiteten vom ursprünglich offenbarten Gesetz sich widersprechende Folgerungen ab. Dennoch erlangten sie alle Geltung. Heute ist dieses Ableitungsverfahren das Recht der Körperschaft des Hauses der Gerechtigkeit, und die Schlüsse und Folgerungen einzelner Gelehrter erlangen nur dann Gesetzeskraft, wenn das Haus der Gerechtigkeit ihnen zustimmt. Der klare Unterschied ist, daß aus der Entscheidung durch die Körperschaft des Hauses der Gerechtigkeit, dessen Mitglieder von der weltweiten Bahá’í-Gemeinde gewählt und ihr bekannt sind, keine Konflikte entstehen werden; die Entscheidungen einzelner Theologen und Gelehrter führen dagegen unweigerlich zu Konflikten und enden in Schismen, Spaltung und Zersplitterung. Die Einheit der Welt würde zerstört, die Einheit des Glaubens verschwände, und das Gebäude des Glaubens Gottes würde erschüttert.«
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Es sichert den Fortbestand der Amtsgewalt, die aus der Quelle unseres Glaubens fließt:
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In der Ordnung Bahá’u’lláhs gibt es Aufgaben, die bestimmten Institutionen vorbehalten bleiben, und andere, die gemeinsam sind, auch wenn sie mehr im Aufgabenbereich der einen oder anderen Institution liegen. So haben zum Beispiel die Hände der Sache die besondere Aufgabe des Schutzes und der Verbreitung als ihren ureigensten Aufgabenbereich, aber gleichwohl ist es auch die Pflicht des Universalen Hauses der Gerechtigkeit und der Geistigen Räte, die Sache zu schützen und zu lehren - ja, das Lehren ist eine heilige Verpflichtung, die Bahá’u’lláh jedem Gläubigen auferlegt hat. Genauso gilt: Obwohl das Recht der Auslegung nach dem Meister ausschließlich dem Hüter verliehen wurde und obwohl die Gesetzgebung ausschließlich dem Universalen Haus der Gerechtigkeit übertragen ist, »ergänzen sich« nach Shoghi Effendis Worten diese beiden Institutionen »in ihrem Zweck und Ziel«. »Ihr gemeinsames, grundlegendes Ziel ist, den Fortbestand jener göttlich verordneten Amtsgewalt zu sichern, die aus der Quelle unseres Glaubens fließt, die Einheit seiner Anhänger zu wahren
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und seine Lehren unversehrt und anpassungsfähig zu erhalten.« Zwar kann das Universale Haus der Gerechtigkeit keine Aufgabe übernehmen, die ausschließlich dem Hüter zukam, doch muß es fortfahren, dem gemeinsamen Zweck zu entsprechen, den es mit dem Hütertum teilt.
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Wie Sie mit vielen Zitaten verdeutlichen, hat Shoghi Effendi wiederholt die Untrennbarkeit dieser beiden Institutionen betont. Ganz offensichtlich faßte er dabei ihr Zusammenwirken ins Auge; doch hieraus kann nicht logisch gefolgert werden, daß die eine Institution ohne die andere funktionsunfähig wäre. Während der gesamten sechsunddreißig Jahre seines Hütertums wirkte Shoghi Effendi ohne das Universale Haus der Gerechtigkeit. Nun muß das Universale Haus der Gerechtigkeit sein Amt ohne den Hüter ausüben, aber das Prinzip der Untrennbarkeit bleibt bestehen. Nur weil es keinen lebenden Hüter gibt, verliert das Hütertum weder seine Bedeutung noch seine Stellung in der Ordnung Bahá’u’lláhs. Wir müssen uns vor zwei Extremen hüten: Das eine wäre die Behauptung, daß, weil es keinen Hüter gibt, alles, was über das Hütertum und seine Stellung in der Bahá’í-Weltordnung geschrieben wurde, jetzt toter Buchstabe und ohne Bedeutung ist; das andere wäre, von der Bedeutung des Hütertums so überwältigt zu sein, daß man die Kraft des Bündnisses unterschätzt oder in Versuchung gerät, an den klaren Texten herumzudeuteln, um auf irgendeine Weise einen
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»Hüter« zu finden.
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Dies ist Gottes Sache - ihr Licht wird uns führen:
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Der Dienst an der Sache Gottes erfordert unbedingte Treue und Lauterkeit und unerschütterlichen Glauben an Ihn. Nichts Gutes, sondern nur Böses kann entstehen, wenn wir die Verantwortung für die Zukunft der Sache Gottes selbst in die Hand nehmen und versuchen, sie auf Wege zu drängen, wo wir sie haben wollen, ohne die klaren Texte und unsere eigenen Beschränkungen zu beachten. Es ist Seine Sache. Er hat versprochen, daß ihr Licht nicht versiegen wird. Unsere Aufgabe ist, mit aller Zähigkeit am offenbarten Wort und an den Institutionen, die Er zur Erhaltung Seines Bündnisses geschaffen hat, festzuhalten.
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Gerade hierbei müssen die Gläubigen erkennen, wie entscheidend wichtig geistige Redlichkeit und Demut sind. In früheren Sendungen sind viele Irrtümer entstanden, weil die Gläubigen, die Gottes Offenbarung angenommen hatten, allzusehr darauf bedacht waren, die göttliche Botschaft mit dem Maßstab ihres begrenzten Verständnisses zu messen; Lehrsätze festzulegen, wo Festlegungen außerhalb ihrer Macht standen; Geheimnisse zu deuten, die nur die Weisheit und Erfahrung eines späteren Zeitalters verständlich machen konnte; zu behaupten, daß etwas wahr sei, weil es wünschenswert und notwendig schien. Solche Kompromisse mit der ewigen Wahrheit, solchen intellektuellen Stolz müssen wir strengstens meiden.
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Wenn einige Verlautbarungen des Universalen Hauses der Gerechtigkeit nicht sehr ausführlich sind, sollten die Freunde einsehen, daß dahinter keine Geheimnistuerei steckt, sondern die Entschlossenheit dieser Körperschaft, sich jeder Auslegung der Lehren zu enthalten und die Richtigkeit der Aussage des Hüters zu bewahren: »Religionsführer, Vertreter politischer Theorien, Leiter menschlicher Institutionen ... brauchen über die Natur, den Ursprung oder die Gültigkeit der Institutionen, die die Anhänger des Glaubens in der ganzen Welt aufbauen, keinerlei Zweifel oder Befürchtungen zu haben; denn diese Institutionen sind in den Lehren selbst tief verankert, unverfälscht und ungetrübt durch unbefugte Eingriffe oder unerlaubte Auslegungen Seines Wortes.«
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Unterscheidung zwischen der bevollmächtigten Auslegung der Schriften und dem Verständnis des einzelnen:
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In unserem Glauben wird eine klare Unterscheidung gemacht zwischen der bevollmächtigten Auslegung und dem Verständnis, zu dem der einzelne durch das Studium der Lehren selbst gelangt. Die erstere ist dem Hüter vorbehalten; doch soll das zweite, wie uns der Hüter selbst sagt, auf keinen Fall unterdrückt werden. Eine individuelle Auslegung gilt nämlich als Frucht der menschlichen Verstandeskraft und als förderlich für ein besseres Verständnis der Lehren - vorausgesetzt, daß keine Streitigkeiten oder Auseinandersetzungen unter den Freunden entstehen und der einzelne selbst weiß und auch zum Ausdruck bringt, daß das, was er sagt, seine eigenen Ansichten sind. Individuelle Auslegungen ändern sich ständig, je mehr das Verständnis der Lehren zunimmt. Hierzu schrieb Shoghi Effendi: »Sich in der Sache zu vertiefen heißt, die Schriften Bahá’u’lláhs und des Meisters so gründlich zu lesen, daß man in der Lage ist, sie in reiner Form anderen weiterzugeben. Es gibt viele, die eine oberflächliche Vorstellung von dem haben, was die Sache eigentlich vertritt. Sie stellen sie deshalb in Verbindung mit ihrem eigenen Gedankengut dar. Da die Sache Gottes noch in ihrem Anfangsstadium ist, müssen wir sorgfältig darauf achten, daß wir nicht diesem Irrtum verfallen und der Bewegung, die wir so sehr verehren, schaden. Dem Studium der Sache ist keine Grenze gesetzt. Je mehr wir die Schriften lesen, desto mehr Wahrheiten können wir in ihnen finden und desto mehr werden wir feststellen, daß unsere früheren Begriffe falsch waren.« Individuelle Einsichten können also erleuchtend und hilfreich sein; sie können aber auch in die Irre führen. Deshalb müssen die Freunde lernen, den Ansichten anderer zuzuhören, ohne sich allzutief beeindrucken oder gar in ihrem Glauben beirren zu lassen; ebenso müssen sie lernen, ihrer eigenen Meinung Ausdruck zu geben, ohne sie ihren Mit- Bahá’í aufzwingen zu wollen.
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Die Sache Gottes ist organisch; sie wächst und entwickelt sich wie ein lebendes Wesen. Immer wieder hat sie Krisen erlebt, die die Gläubigen verwirrt haben; aber jedes Mal hat die Sache - angetrieben durch Gottes unwandelbaren Ratschluß - diese Krise überwunden und eine höhere Stufe erreicht.
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Jeder muß sich dem Heiligsten Buche zuwenden:
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Wie wenig wir auch das mit Shoghi Effendis Hinscheiden verbundene Geheimnis und seine Bedeutungen verstehen mögen - das feste Seil, an das sich alle mit absoluter Gewißheit anklammern müssen, ist das Bündnis. Die eindringliche und kraftvolle Sprache von `Abdu’l- Bahás Wille und Testament ist heute ebenso wie zur Zeit Seines Hinscheidens der sichere Hort für die Sache: »Jeder muß sich nach dem Heiligsten Buche richten, und was darin nicht ausdrücklich Erwähnung findet, ist an das Universale Haus der Gerechtigkeit zu verweisen. Was diese Körperschaft einstimmig oder mit Stimmenmehrheit entscheidet, ist die wirkliche Wahrheit und Gottes eigener Wille. Wer davon abgeht, ist wahrlich von denen, die Uneinigkeit lieben, Bosheit gezeigt und sich vom Herrn des Bündnisses abgekehrt haben.« Und an anderer Stelle: »Alle müssen Führung suchen und sich dem Mittelpunkt der Sache und dem Haus der Gerechtigkeit zuwenden. Und wer sich woandershin wendet, ist fürwahr in schmerzlichem Irrtum.«
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Das Universale Haus der Gerechtigkeit, von dem der Hüter sagte, daß es von der Nachwelt als die »letzte Zufluchtsstätte einer wankenden Zivilisation« angesehen würde, ist jetzt in Abwesenheit des Hüters die einzige unfehlbar geführte Institution auf der Welt, der sich alle zuwenden müssen. Auf ihm lastet die Verantwortung, Einheit und Fortschritt der Sache
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Gottes in Übereinstimmung mit dem offenbarten Wort zu sichern. Es gibt Aussagen des Meisters und des Hüters, die besagen, daß das Universale Haus der Gerechtigkeit neben seiner Stellung als höchste gesetzgebende Körperschaft des Glaubens auch die Körperschaft ist, der sich alle zuwenden müssen, der »Gipfel« der Bahá’í-Verwaltungsordnung und »das oberste Organ des Bahá’í-Gemeinwesens«. Der Hüter hat in seinen Schriften die grundlegenden Aufgaben bezeichnet, die dem Universalen Haus der Gerechtigkeit zufallen; darunter die Ausarbeitung künftiger weltweiter Lehrpläne, die administrative Leitung des Glaubens und die Führung, Organisation und Vereinheitlichung der Angelegenheiten der Sache auf der ganzen Welt. Außerdem macht der Hüter in Gott geht vorüber folgende Aussage: »Das Kitáb- i-Aqdas ... überliefert der Nachwelt nicht nur die Grundgesetze und Verordnungen, auf denen der Bau Seiner künftigen Weltordnung ruhen muß, sondern überträgt darüberhinaus Seinem Nachfolger die Aufgabe der Auslegung und bestimmt die notwendigen Einrichtungen, die allein die Unversehrtheit und Einheit Seines Glaubens gewährleisten können.« Er hat auch in Die Sendung Bahá’u’lláhs geschrieben, daß die Mitglieder des Universalen Hauses der Gerechtigkeit »und nicht die Gesamtheit ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Wähler zu Empfängern der göttlichen Führung« werden, »die für diese Offenbarung Herzblut und eigentlicher Schutz zugleich ist«.
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Wie das Universale Haus der Gerechtigkeit bereits angekündigt hat, kann es weder Gesetze erlassen, um die Ernennung eines Nachfolgers für Shoghi Effendi zu ermöglichen, noch um die Ernennung von weiteren Händen der Sache zuzulassen; aber es muß alles tun, was in seiner Macht steht, um die Durchführung all jener Aufgaben zu sichern, die es mit diesen zwei mächtigen Institutionen teilt. Es muß Vorsorge treffen, um auch in Zukunft die Aufgaben des Schutzes und der Verbreitung zu erfüllen, die die Verwaltungsinstitutionen mit dem Hütertum und den Händen der Sache teilen; es muß in Abwesenheit des Hüters das
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»Huqúqu’lláh« entgegennehmen und seiner Verwendung zuführen, in Übereinstimmung mit der folgenden Äußerung Abdu’l-Bahás: »Verfügungen über das Huqúq, ganz oder teilweise, sind gestattet, sollten aber mit Erlaubnis der zuständigen Institution der Sache geschehen, der sich alle zuwenden müssen.« Es muß in seiner Satzung Vorkehrungen für die Entfernung eines seiner Mitglieder treffen, das eine Sünde begeht, die »das Allgemeinwohl schädigt«.
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